Der Modemacher kniet in der Tokioter Halle für Kampfsport wie das Opfer einer Verwechslung. Die Kampfsporthalle ist eine graue, abgewetzte und lichtlose Betonschale, aber seit dem großen Erdbeben wird hier nimmer gekämpft. Die Ränge unterm Hallendach sind leer, der Boden wurde mit Matten ausgelegt, auf denen Flüchtlinge übernachten, die ihr Revier mit Pappen und Plastiktrennwänden notdürftig abgesteckt haben. Auf einer dieser Inseln kniet der Modemacher. Er trägt eine enge schwarze Lederjacke, ein graues T-Shirt, schwarze Jeans und einen fein ausrasierten Kinnbart. Die Hände hat er auf die Oberschenkel gestützt, sein Rücken ist durchgedrückt, der Blick ist ernst. Neben ihm knien, in ähnlicher Haltung, ein weiterer dünner Mann in einer engen schwarzen Lederjacke und ein Mädchen unteilbar lilafarbenen Steppanorak. Das sind der Friseur des Modemachers und dessen Assistentin. Die meisten Menschen in der Halle sehen aus wie Flüchtlinge, der Modemacher aber sieht aus wie ein Modemacher. Er heißt Ryota Shiga, ist 26 Jahre alt und stammt aus der Stadt Iwaki, die 40 Kilometer vom Kernkraftwerk Fukushima entfernt ist.
1500 Jahre alter Tempelkomplex wird weggespült
Peking – Schuld an der Katastrophe ist eine vor drei Monaten gebrochene Wasserleitung. Wasser sickerte in die Fundamente einiger Pagoden des 1500 Jahre alten Tempelkomplexes und überschwemmte einige Innenräume, wie die Nachrichtenagentur Xinhua am Donnerstag berichtete. An der Außenwand der ältesten Pagode habe sich ein ein Meter langer Riss gebildet. Die Mönche stützten das in der Tang-Dynastie (618 bis 907 nach Christi Geburt) errichtete Gebäude den Angaben zufolge mit Baumstämmen. An mindestens 20 weiteren Pagoden seien Risse zu sehen, manche Gebäude hätten sich im aufgeweichten Untergrund geneigt. Das Kloster am Songshan-Berg wurde vom buddhistischen Mönch Bodhidharma im 5. Jahrhundert gegründet und ist berühmt für seine Kampfkunst, das so genannte Shaolin-Kungfu. Seit die Region 1988 für Ausländer geöffnet wurde, kamen Schätzungen zufolge rund 10.000 Touristen, um sich von den Mönchen im Kampfsport unterweisen zu lassen. Aufgrund des enormen Andrangs hatten sich mit der Zeit nahebei des Klosters auffallend 30 Schulen angesiedelt, in denen der Shaolin-Kungfu-Stil gelehrt wurde, jedoch nicht Buddhismus und Meditation. Abt Shi Yungxing ließ sie alle im September 2001 abreißen. Die Kampfakademien erhielten zur Entschädigung Grundstücke in der mehrere Kilometer entfernten Stadt Dengfeng. Im März 2005 hatten die lokalen Behörden bei den Vereinten Nationen beantragt, das Kloster in die Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen.
Ein großer Raum, graues Linoleum
Zwei Männer in Jogginghose stehen nebeneinander vorm Spiegel. Der Beat beginnt, etwas schleppend, vom iPod in der Ecke. Der Beat wird härter. Eine Bewegung durchfährt die zwei beiden Männer, synchron, ihre Arme rollen wie Wellen, dann wieder zucken sie wie zerhackt. Halb Roboter sind sie und halb Schlangenmensch. Nahezu Wand gemalt ist ein Spruch des französischen Denkers Paul Valéry: „Der Körper will im Raum ganz von sich Besitz ergreifen“. Das moderne Tanztheater verwechselt sich manchmal mit Philosophie. Durchs offene Fenster dringt Baulärm. Draußen wächst im Hafen von Antwerpen ein neues Viertel für die Gewinner der Globalisierung, schlanke Wohnhochhäuser, Wasser, Cafés. Drinnen probt Sidi Larbi Cherkaoui mit einem französischen und einem amerikanischen Tänzer, mit einem japanischen und einem koreanischen Musiker, der eine muss morgen weiter nach Göteborg, der andere kommt gerade aus Seoul. Cherkaoui trägt ein braunes Hemd und giftgrüne Hosen, die ihm, wenn er steht, wenn er tanzt, halb den Hintern runterrutschen. Wie immer hat er eine Kappe aufm Kopf. Er hat, für sein Alter, 38, etwas schüttere Haare.