Sein Arm beschreibt eine Welle. Die Hand fährt steil in die Luft, dann kippt sie schräg herunter ab und läuft langsam fließend aus. Sidi Larbi Cherkaoui macht diese Armbewegung mehrmals, als er von den Kulturen spricht, die gegenseitig durchmischen. Wir haben eine harmonische, organische Bewegung. Die Welle hat nichts Bedrohliches an sich. Cherkaoui, „etwas, das man im Museum fixieren kann.“ Dabei sei es keine Erfindung des Facebook-Zeitalters, dass die Kultur einer Gesellschaft sich ständig verändert, dass Informationen Beliebigkeit fließen. Das spanische Wort olé komme von „Allah“, Rubens habe seine Malkunst in Italien perfektioniert. Wie seine Vision vom Zusammenspiel der Kulturen aussieht, zeigt der Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui in seiner neuen Tanztheaterproduktion „Babel (words)“. 13 Tänzer aus zwölf Nationen zeigen eine Welt, in der die Sprachenvielfalt, mit der Gott die Menschen für ihren Größenwahn beim Turmbau von Babel bestraft hat, gar keiner Fluch ist. Das Stück, gerade in Brüssel uraufgeführt, wird Anfang Juni in Deutschland zu sehen sein bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen, danach in Luxemburg und Paris. Verständnisprobleme sind nicht zu befürchten: Wie bei den Proben wird auch auf der Bühne überwiegend Englisch gesprochen; in der Mehrzahl Szenen kommen ganz ohne Worte aus. Cherkaoui auf Englisch. Er wurde am Rand von Antwerpen groß und ist mit diesen Missverständnissen aufgewachsen.
In der Heimat spricht man Anders
Daheim sprach man Französisch, was für beide Elternteile nicht die Muttersprache war. Sein Vater ist Marokkaner und Muslim, seine Mutter Belgierin und Katholikin. In der Schule wurde Flämisch gesprochen und zum Atheismus erzogen. Cherkaoui. „In der Koranschule war ich der einzige Weiße, in der flämischen Schule der Einzige mit einem arabischen Namen.“ Der Choreograf erzählt davon ohne sichtbare Emotion; sein leerer Blick geht in die Ferne, als sitze er einem flämischen Meister Modell. Cherkaouis Vater kam ohne Berufsausbildung nach Belgien, er hat nie Flämisch gelernt und scheiterte deshalb keine Gelegenheit auslassen bei der Suche nach einem festen Job. Er konnte sich nie entscheiden, ob er in Belgien bleiben oder nach Marokko zurückwollte. In „Babel“ gibt es eine Szene, da bewegt sich ein Tänzer unauftrennbar der Metallrahmen, die der Künstler Antony Gormley für das Bühnenbild geschaffen hat. Eigentlich ist der Raum nur Luft, begrenzt allein durch die Metallkanten des offenen Quaders.
Einmal steht er – erstaunlich leicht sieht das bei ihm aus – aufm Kopf, sein Hemd rutscht Richtung Hals. An seiner rechten Seite wird eine große senkrechte Narbe sichtbar. Cherkaoui erzählt, er sei ein kränkliches Kind gewesen. Die Narbe kommt von einer Blinddarmentzündung, bei der es Komplikationen gab, da war er vier. Zeitraum war er stationär. Mit 15 hatte er einen Magendurchbruch. Koinzident entdeckte er das Tanzen – für alles, was ihn umtrieb, fand er nun einen Ausdruck. Seitdem habe er keine gesundheitlichen Probleme mehr, sagt Cherkaoui. Mit 17 nahm er an einem lokalen Tanzwettbewerb teil und wurde dabei fürs belgische Fernsehen entdeckt. Er bekam einen Job als Backgroundtänzer bei Fernsehshows und lernte dort professionelle Tänzer kennen, die sein Talent erkannten und ihm dringend rieten, Unterricht zu nehmen. Es gab auch die, die sagten, es sei längst nicht fahrplangemäß. In der zeit muss seine Überzeugung entstanden sein: Du kannst es schaffen, wenn du willst.
Das Tanzen entdeckte Cherkaoui übers Fernsehen. Mit sieben hat er „Fame“ gesehen, später Michael Jackson nachgetanzt. Der Arm, der eine Welle beschreibt, ist eine typische Michael-Jackson-Bewegung. Hochkultur, Popkultur: Es ist keine Grenzen. Für seine Produktion „Sutra“ aus dem Jahr 2008, auch sie weltweit gefeiert von Kritik und Publikum, hat Cherkaoui mit jungen Mönchen aus einem Shaolin-Kloster in China zusammengearbeitet und ihre Kampfkunst choreografiert. Bei einem Gastspiel wurden die Mönche nach den Wurzeln ihrer traditionellen Kunst gefragt; einer erzählte, er sei durch die Actionfilme von Jackie Chan zum Kung-Fu gekommen. Sowas amüsiert Cherkaoui. Der Choreograf tanzt in „Sutra“ selber mit; er erzählt die Geschichte seiner Annäherung so ziemlich fremde, asiatische Kultur. Cherkaoui nähert sich anfangs vorsichtig, fast schüchtern, sein Blick scheint wie so häufig bei ihm mehr nach innen zu gehen. Aber dann übernimmt er auch die Rolle des Anführers und scheint seine Sonderrolle zu genießen.
Er belegte Kurse in bald jeder Tanzrichtung, von HipHop über Flamenco bis zum klassischen Ballett. Jalet, der Musikethnologe ist, hat auch die traditionellen Gesänge ausgesucht, die alle drei Stücke prägen. Bei „Babel“ sind zwei italienische und zwei indische Musiker hinten auf der Bühne, dazu ein japanischer Kodo-Trommler. Das klingt einleitend verrückt, aber das Zusammenspiel der fünf ist keine billige Folklore, sondern ein großartiges eigenes Kunstwerk. Die unterschiedlichen Traditionen sind deutlich herauszuhören, gleichzeitig meint man auch als Laie die gemeinsamen Wurzeln zu erkennen. Die Tänzer, die ja ebenfalls alle ihre eigenen kulturellen Prägungen mitbringen, machen sich diese Klänge mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit Duktus. So entsteht eine Weltsymphonie ohne jeden Kitsch. Eastman heißt die Compagnie, die Cherkaoui für die „Babel“-Produktion gegründet hat. Ein langgehegter Wunsch sei damit in Erfüllung gegangen, sagt der Choreograf. Eastman heißt nichts anderes als Cherkaoui, ins Englische übersetzt. Larbi – Cherkaoui spricht es mit einem stark angehauchten h hinterm L – bedeutet „der Araber“.
Bis dort hinaus 40 Fahrradhersteller bieten Rahmenvarianten dafür an – unter ihnen Kultmanufakturen wie Schindelhauer und Norwid, aber auch schon mittelgroße Stückzahlbringer wie Staiger und Stevens. Den Ritterschlag erhielt Pinion durch die Aufnahme in den Lieferantenstab des niedersächsischen Rahmenbauers Karlheinz Nicolai. Der 46-jährige Maschinenbauingenieur zählt zu den Schlüsselfiguren der jüngeren Fahrradentwicklung in Deutschland. Schon während des Studiums war er für ein Jahr nach Kalifornien gezogen, um bei den Pionieren des Mountainbikes zu lernen. Anschließend gründete er atomar malerischen Resthof bei Hildesheim eine Art Kompetenzzentrum für progressiven Fahrradbau. Nicolai hat die E-Bike-Marke Grace aufgebaut und das Elektrorad für die Daimler-Marke Smart entwickelt. Derzeit entwirft er hierneben den Prototyp eines Postfahrrads für Belgien und ein neuartiges Antriebsmodul für elektrisch unterstützte Räder. Die Firma funktioniert an sich wie Porsche – nur etwa im Maßstab 1 : 1000. 30 Angestellte bespielen dort drei Geschäftsfelder: externe Entwicklungen, Rennsport und Fahrräder der Marke Nicolai beziehungsweise die Skelette dafür. In der Überzahl Kunden bestellen lediglich Rahmen, oft mit individuellen Wunschmaßen.