Machtpolitisch hatte er aber nichts zu sagen. Angesichts der martialischen „schwarzen Schiffe“ blieb den widerstrebenden Japanern nicht anders übrig, als die Fremden an Land zu lassen. Höflich wurden Geschenke ausgetauscht, die Einheimischen übergaben erlesene Brokatstoffe, Fächer und Porzellangefäße. Doch als Beweis nationaler Stärke hatten sie nur 25 Sumo-Ringer aufzubieten; an den US-Kommandeur Matthew C. Perry erging die Einladung, ihnen in die imposanten Bäuche zu boxen. Der Amerikaner revanchierte sich, seiner höheren Zivilisation sicher, mit einem Telegrafen und dem Miniaturmodell einer Eisenbahn. A fortiori aber überbrachte er einen Brief des US-Präsidenten Millard Fillmore. Der verlangte vom Herrscher Japans, dem Shogun, die Öffnung von Häfen und die Aufnahme von Handelsbeziehungen. Im Folgejahr werde Perry sich die Antwort abholen. Der kaum verhüllten militärischen Drohung stand der Shogun hilflos gegenüber. In einer „bis dahin nie erlebten Demütigung“, wie der Berliner Japanologe Gerhard Krebs schreibt, suchte er Rat bei den Lehensfürsten, den „Daimyo“, in deren etwa 260 Ländereien das Inselreich zerfiel. Doch eine probate Gegenwehr fand sich nicht.
Kleines eines deutschen Kung Fu Schülers
In der Mehrheit deren bleiben zwischen zwei Monaten und einem Jahr. Konntest du schon vor deiner Abreise Chinesisch sprechen? Haufe: Ja, ich habe in Deutschland abends einen Sprachkurs besucht und den Tag über in einer Bäckerei gejobbt, um mir den Flug und den Schulbesuch zu verdienen. Das ist aber nicht teuer. Ausländer zahlen etwa 300 Euro pro Monat für Unterkunft, Training und Essen. Und dann gibt es hartes Training vom Morgen bis in die Nacht? Haufe: Im ersten Monat saß ich vormittags im Sprachunterricht und habe nachmittags und abends Kung Fu trainiert. Das bedeutete: Um halb sechs für die erste Frühsporteinheit aufstehen und manchmal bis neun Uhr abends trainieren. Gestört hat mich etwas, dass wir die Schule nur zweimal in der Woche verlassen durften. Abends durften wir nie raus. Warum denn das? Haufe: Es gab strenge Regeln, die für uns ebenso galten wie für die chinesischen Schüler. Wir mussten die Schule auch schriftlich informieren, wohin wir wollen und wann wir zurückkommen.
Wenn sich die Sachen zu oft wiederholen oder die Lehrer so dahinleiern, dann langweile ich mich. Meine Noten sind aber nur mittelmäßig, weil ich zurzeit wirklich nix und wieder nix mache. Ich bin einfach zu unruhig, um zu lernen. Als ich in die Schule kam, wusste ich noch nicht, dass ich hochbegabt bin. In der 2. Klasse habe ich gemerkt, dass ich schneller kapiere als andere, obwohl ich nur mit einem Ohr zuhöre – und zwar wortwörtlich. Ich habe nämlich keine Außen- und keine Mittelohren. Soll heißen, ich habe kein Trommelfell und keine Ohrmuscheln. Ich bin hochgradig schwerhörig und trage auf beiden Seiten Hörgeräte. Das Innenohr ist vorhanden, aber der Gleichgewichtssinn, der zwischen Innen- und Mittelohr liegt, ist gestört. Beim Autofahren wie etwa muss ich immer kotzen. Ich kann mich auch schlecht rollen, ich rolle immer schief und schräg, nie gerade. Aber beim Kung-Fu gehts. Ich glaube, dass mir meine Intelligenz hilft, mit meiner Hörschwäche klarzukommen. Wenn ich nur drei Wörter verstehe, reime ich mir den Rest zusammen.
Ein nationalistischer Mob stürmte in den ersten Jahren der Meiji-Ära sogar buddhistische Heiligtümer, während in Shinto-Schreinen nationale Riten zelebriert wurden. Beim Umbau der Feudalgesellschaft in einen modernen Zentralstaat löste sich die vertraute Lebenswelt auf, was viele Japaner verängstigte und verunsicherte. Der Tenno war da als symbolische Integrationsfigur und verbindendes Element unersetzlich. Japans chinesisches Kulturerbe verschwand allerdings nicht auf anordnung. Symbole und Rhetorik waren das eine, die politische Absicht und Wirklichkeit das andere. Wenn manche Historiker von einer „Meiji-Restauration“ sprechen, führt das in die Irre, wie der Bonner Japanologe Reinhard Zöllner betont. Besser trifft der von seiner Seite aus verwendete Begriff der „Meiji-Renovation“. Wer Japan stark machen und die „ungleichen Verträge“ aufheben wollte, musste zuallererst dem fortgeschrittenen Ausland nacheifern, so gegen Fremden später mit ihren eigenen Waffen schlagen zu können. Darüber war man sich einig. Im Isolationismus, das begriffen gerade die klugen Samurai der „Nationalen Schule“ schnell, lag die Ursache, nicht die Lösung des Problems. Im Juni 1868 verkündete die neue Regierung eine provisorische Verfassung. Kernsatz: „Die Gewalt im Reiche fällt gänzlich bald kaiserliche Kanzlei zurück.“ Die bürokratische Formulierung ließ durchblicken, dass die Macht wahrlich bei einer unpersönlichen Zentralexekutive lag, die in nomine des Kaisers handelte.